Nun ist es ja immer so eine Sache, aus persönlichen Gesprächen und aus der Anschauung eines begrenzten Gebietes, eine Intuition für die politische Gesamtlage, gerade eines so riesgen Landes wie den USA, zu entwickeln. Aber ich kann nicht umhin, doch ein paar Beobachtungen zu notieren.
Boston ist sicher eine der liberalsten, europäischsten Städte in Amiland. Rein oberflächlich betrachtet kann da eigentlich nur Obama gewinnen. Ich habe während der ganzen Zeit vielleicht drei Hillary-Aufkleber und ein McCain-Schild gesehn, ansonsten auffallend viele Obama-Devotionalien. Die Gespräche mit Freunden und mit Zufallsbekanntschaften (es gibt da wirklich tolle Buchladen-Cafes, in denen man schnell mit seinen Tischnachbarn ins Gespräch kommt) zeigten ein ähnliches Bild. Viele, gerade der jungen Leute, sind in einer für Deutsche ungewohnten weise patriotisch und gleichzeitig äußerst regierungskritisch.
“I love my country but I hate this government. I am a pro-constitution radical.” fasste es einer meiner Gesprächspartner schön zusammen. Irgendwie kam mir das sehr bekannt vor…
Die Medienrealität ist schwer einzuordnen. Das Wahlcomputer-Thema findet, wenn überhaupt, sehr am Rande statt, was dann vermutlich heisst das McCain doch gewinnen wird. Das Phänomen, daß alle Medien die gleiche Sau durchs Dorf trieben, ist noch viel ausgeprägter als in Deutschland. Ein Thema kann da problemlos mehrere Tage beherrschen, so daß keine andere Nachricht eine Chance hat.
Gerade überschattete der Spitzer-Absturz alles. Die wenigen “Experten” die in den Median anmerkten, daß es ja nun wirklich eine Privatsache sei, mit wem der Gouverneur für wieviel Geld seine Nächte verbringt, solange er dafür selber zahlt, gingen im allgemeinen Getöse unter. Es gab auch noch einen lustigen Harvard-Prof im TV. Der wies zum einen auf den zeitlichen Zusammenhang der Bankencrashs zu den Callgirl-Enthüllungen hin. Spitzer hatte sich bei den WallStreet-Fonds verschiedentlich unbeliebt gemacht und gedroht, ein bischen im Sub-Prime-Sumpf zu stochern. Zum anderen sagte der Prof klar, daß es sich das Land nicht leisten kann, politische Talente diesen Kalibers wegen solcher Petitessen zu verlieren. Der Moderator wollte ihn dann nicht ausreden lassen, aber der Prof hat einfach so laut und ruhig weitergeredet, daß man ihn durch das Moderatormikrofon hören konnte bis sie ihn wieder aufgeschaltet haben…
Eine lustige Theorie, warum ausgerechnet Fox (der rechtskonservative Propagandasender) The Simpsons im Programm hat, hab ich auch gehört. Das diene dazu, so die Theorie, daß auch die Liberalen ein bischen den Fox-Nachrichten ausgesetzt werden. Das FoxStammpublikum ist eh zu stumpf, um die Simpsons-Witze zu verstehen, insofern kann da kein Schaden entstehen. ;-)
PS: Ich bin wieder zurück in Berlin, Ausreise und Rückflug waren überraschend schmerzfrei. seatguru rockt.